Die Anforderungen an Führungskräfte werden immer komplexer: um in einer dynamischen und digitalisierten Welt wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Unternehmen und deren Führungskräfte bestehende Strukturen verlassen und sich bewusst mit den Veränderungen von Markt und Wettbewerb beschäftigen. Diese Neuausrichtung ist durch flexible Organisationsstrukturen und das Einplanen von deutlich mehr Zeitressourcen für experimentelles Vorgehen realisierbar.
Der Begriff „VUCA“ beschreibt die Herausforderungen einer digitalisierten Unternehmenswelt. „VUCA“
steht für Unbeständigkeit, Ungewissheit, Vielschichtigkeit und Mehrdeutigkeit (im Englischen volatility, uncertainty, complexity, ambiguity) und verdeutlicht die hohe Dynamik des Wandels bei
gleichzeitig fehlender Planungssicherheit. Produkte und Dienstleistungen müssen für zukünftige, komplexe Märkte entwickelt werden, deren Eigenschaften noch unklar sind.
Hier kann Agilität eine zielführende Komponente sein: Im Vergleich zu den etablierten 5-Jahres-Plänen können Unternehmen in agilen Strukturen sehr viel schneller auf Veränderungen am Markt
reagieren und damit neue Kundenwünsche frühzeitig identifizieren.
Agilität
Agilität beschreibt in erster Linie die hohe Anpassungsfähigkeit und Geschwindigkeit, mit der sich Unternehmen auf wechselnde
Anforderungen und Kundenbedürfnisse einstellen. Die Voraussetzung hierfür ist eine agile Haltung (agiles Mindset) der
Führungskräfte – diese sind durch ihre Haltungen und Handlungen Initiatoren für die Einstimmung in diesen Weiterentwicklungsprozess.
Die Abgrenzung von Agilität zu Flexibilität ist fließend. Ihre gemeinsame Basis ist die Anpassungsfähigkeit. Agilität setzt jedoch nicht nur eine reaktive, sondern eine proaktive Anpassung an Neuerungen auf dem Markt voraus – hierbei leiten Führungskräfte bewusst den Veränderungsprozess ein.
Balanceakt zwischen Tradition und Agilität
Die Implementierung einer agilen Unternehmensstruktur erfordert zeitliche, experimentelle und finanzielle Ressourcen – engagierte, dynamische und mutige Führungskräfte sind die Leitfiguren. Verstärkend wirkt hierbei die strukturelle Ambidextrie, die durch den Aufbau von Parallelunternehmen diesen Balanceakt stabilisiert: Der Stahl- und Metalldistributor „Klöckner & Co Deutschland GmbH" demonstriert einen erfolgreichen Wandel mit dieser Neuausrichtung: Während das Hauptunternehmen mit klassischen Strukturen auf Effizienz ausgelegt ist, wurde mit „kloeckner.i GmbH“ ein eigenes Unternehmen für Digitalisierungs-aktivitäten der Stahlindustrie gegründet, welches Teamorientierung und Agilität als dominante Leitlinien in den Mittelpunkt der täglichen Aktivitäten stellt. Dieses Beispiel zeigt eindrucksvoll, wie sich flexible Strukturen und traditionelle Geschäftsmodelle gegenseitig positiv verstärken.
Veränderungsbereitschaft wird in einer dynamischen Arbeitswelt auch von jedem einzelnen Mitarbeiter gefordert – eigenständige Entscheidungen und ein hohes Maß an Selbstorganisation sind die Mittel der Wahl. Die höhere Eigenverantwortung führt zu verstärkter Identifikation mit dem Unternehmen – Mitarbeiter fühlen sich intensiver eingebunden und erkennen den Sinn ihrer Aufgabe – die Partizipation steigt. Diese Faktoren sind zielführende Voraussetzungen für die intrinsische Motivation und die langfristige Bindung an das Unternehmen.
Die klare Kommunikation über die langfristigen Ziele des Unternehmens ist in traditionellen wie in agilen Strukturen die wichtigste Anforderung an das Management. Ein erfolgreiches Unternehmen ist umfassend strukturiert. Die Herausforderung für Führungskräfte besteht darin, frühzeitig zu erkennen, in welchen Bereichen die Umstellung von einer klassischen auf eine agile Organisation sinnvoll und zielführend ist.
Anforderungen an Führungskräfte
Agile und motivierte Führungskräfte sind die Vorbilder für die Umsetzung von Veränderungen, da ihr Persönlichkeits- und Verhaltensprofil den flexiblen Anforderungen entspricht. In der agilen Führung unterscheidet sich die Haltung der Führungskraft deutlich von dem traditionellen Führungsverständnis. Das Prinzip „Servant Leadership“ meint, dass sich die Führungskraft in den Dienst des Teams stellt und ihren Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnet. Vertrauen wird in beide Richtungen aufgebaut: Während das Vertrauen der Mitarbeiter in die Führungskraft vorausgesetzt wird, müssen Führungskräfte oft erst lernen, sich auf ihre Mitarbeiter und deren Entscheidungen zu verlassen.
Die „Leobersdorfer Maschinenfabrik GmbH“ zeigt mit der Initiative „Azubis suchen ihre Nachfolger“, dass die Führungskräfte bereits die Auszubildenden mit großem Vertrauen wertschätzen: Die Azubis übernehmen die gesamte Verantwortung für das Recruiting neuer Azubis, vom Employer Branding über das Führen von Vorstellungsgesprächen bis zur endgültigen Entscheidung über die Kandidaten. Durch diese Verantwortungsübernahme erlernen die Auszubildenden einen autonomen Arbeitsstil und entwickeln sich durch abwechslungsreiche Aufgaben weiter.
Eine weitere Anforderung an Führungskräfte ist die Einführung eines offenen Fehlermanagement-Systems. Dabei werden Fehltritte als Chance für zukünftiges Lernen gesehen. Beispielsweise
kommuniziert das Spielesoftwareunternehmen „Wooga GmbH“ Fehler offen
auf einer „Wall of Fame“. Durch die authentische Präsentation persönlicher Rückschläge erhalten die Mitarbeiter eine umfassende Wertschätzung als Belohnung für ihre niedrigschwellige
Kommunikation.
Personaldiagnostik – Der Erfolgsgarant für agile Unternehmen
Um zukunftsfähig aufgestellt zu sein, sind Unternehmer und Führungskräfte aufgefordert, sich mit
der VUCA-Welt auseinander-zusetzen. Dennoch werden auch traditionelle Abläufe zukünftig existieren und wichtig sein; in diesem Unternehmensumfeld werden strukturierte und regeltreue Menschen
einen wichtigen Beitrag
zum Erfolg leisten. In agilen Strukturen steigt jedoch für Personen
mit diesem Verhaltensprofil das Risiko für Fehler und Überforderung – stattdessen sind ausschließlich Mitarbeiter mit einer hohen intrinsischen Flexibilität und Umstellungsbereitschaft
dazu in der Lage, den Erfolg einer agilen Unternehmensausrichtung auszulösen. Somit ist die sichere Einschätzung und Prognose, welche Mitarbeiter gemäß ihrem individuellen Fähigkeitsprofil
entweder in einem konventionellen oder flexiblen Arbeitsumfeld ressourcenorientiert und erfolgreich eingebunden sind, von zentraler Bedeutung. Sowohl traditionell als auch agil aufgestellte
Unternehmenseinheiten können nur effektiv und zielorientiert agieren, wenn die Fähigkeiten und Talente der Mitarbeiter zu der jeweiligen Unternehmensausrichtung passen – die sichere Auswahl- und
Entscheidungsgrundlage hierfür ist die objektive und fundierte Personaldiagnostik.
Quellen:
https://www.business-wissen.de/artikel/digitalisierung-was-bedeutet-vuca/
https://www.sueddeutsche.de/karriere/arbeitsmarkt-die-auswuechse-der-agilitaet-1.3952635
https://entwickler.de/online/development/agiler-burnout-261956.html
Welpe, Isabell M.; Brosi, Prisca; Schwarzmüller, Tanja (2018): Digital Work Design:. Die Big Five für Arbeit, Führung und Organisation im digitalen Zeitalter. 1. Aufl.. Frankfurt am Main: Campus Verlag, 2018. S. 32f.; S.36f.; S.46; S.105f.
The 12th annual State of Agile™ Report
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